Wie Politik und Planer den Ausbau Mühldorf- München schlecht rechnen

Bahnknoten München- da brennts im S- Bahn- Netz

Die VIEREGG – RÖSSLER GmbH, eine innovative Verkehrsberatung,  prüfte im Auftrag der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag  „Nutzen-Kosten-Untersuchungen inklusive Standardisierte Bewertungen zu Schienenprojekten“.

So saßen im Bayerischen Landtag knapp 40 interessierte Zuhörer neben Thomas Mütze und Martin Runge in einem Nebengebäude des Maximilianeums, aus allen Landesteilen, um sich den Vortrag anzuhören. Pro Bahn, Bürger- Initiativen, Verkehrsgutachter und ein Mitbegründer des „Deutschland Taktes“.

„Mit Hilfe der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) wird jedes Schienenprojekt (..) bewertet, ob es durch die Öffentliche Hand finanziert werden darf. Voraussetzung für eine solche Förderung ist ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von über 1,0. Wenn für ein Projekt mehrere Varianten vorliegen, in der Regel unterschiedliche Linienführungen, dient das zu ermittelnde Nutzen-Kosten-Verhältnis häufig der Entscheidungsfindung zugunsten einer Variante.“ So die beiden Gutachter Dr. Martin Vieregg und Karlheinz Rössler zu Beginn ihres Vortrages.Dabei werden die Detail- Werte, die den Entscheidungen zu Grunde gelegt werden, selten veröffentlicht. So wird „die Seriösität der Nutzen-Kosten-Untersuchung zu Schienenprojekten im Fern- und Nahverkehr“ von Verkehrsexperten und -politikern „inzwischen immer häufiger angezweifelt“.

„(..) Der Verdacht drängt sich auf, dass mit der Nutzen-Kosten-Untersuchung, die in der Regel im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (bei Projekten des Bundesverkehrswegeplan (BVWP)) bzw. im Auftrag von Landesverkehrsministerien (bei Projekten des Gemeinde- Verkehrs- Finanzierungs- Gesetzes (GVFG)) durchgeführt wird, in vielen Fällen politisch bzw. vom Auftraggeber gewünschte, aber volkswirtschaftlich nicht sinnvolle Projekte „schöngerechnet“ werden.“

Während volkswirtschaftlich sinnvolle, aber nicht genehme Vorhaben und insbesondere Alternativvorschläge „kaputtgerechnet“ werden würden.

Im Klartext: Bund und Länder lassen sich von ihren Gutachtern die gewünschten Projekte schönrechnen, während Alternativprojekte im wahrsten Sinne des Wortes „totkalkuliert“ werden.

Eines der Beispiele, das Vieregg und Rössler prüften, war eine Neubaustrecke im Norden Deutschlands. Von Bad Schwartau, der Marmeladen- Stadt, nach Puttgarden. Diese Baumaßnahme scheint politisch gewollt und wurde dementsprechend „frisiert“:

„Die Ausbaustrecke von Bad Schwartau – Puttgarden (Elektrifizierung, Bau eines zweiten Streckengleises)“ (..) wird mit einem Wert der Nutzen- Kosten- Untersuchung von 6,7 und somit am besten von allen rund 50 untersuchten Bundesverkehrswegeplan-Vorhaben bewertet.

Dieser hohe Nutzen besteht fast ausschließlich aus eingesparten Lkw-Betriebskosten, die angeblich dadurch zustande kommen, dass durch die Ausbaumaßnahmen auf dieser Bahnstrecke nun eine massive Verlagerung der Gütertransporte vom Lkw auf den Güterzug stattfindet. Diese eingesparten Lkw-Betriebskosten sind um Faktor 17 höher als die Betriebskosten des Güterzug-Mehrverkehrs auf der ausgebauten Strecke.“

 

Nachvollziehbar sei das nicht. Doch ähnliche Problemzonen gibt es natürlich auch in Bayern. So wurden dem Bau der Neubaustrecke München- Ingolstadt- Nürnberg rund 200 Güterzüge zu Grunde gelegt, von denen bis heute kein einziger jemals gefahren ist.

Der Grund: In Tunnels mit einer Länge von über 1000 Meter darf laut Europäischer Union nur ein Güterzug verkehren, wenn am anderen Gleis kein Zug fährt. ICE und Güterzug zur gleichen Zeit in einer Röhre mit einer Länge von über 1000 Meter- das ist nicht gestattet.

 

Der damals unterstellte hohe Nutzwert dieser Strecke nach Nürnberg führt heute dazu, dass die Netz- Tochter der Bahn weitaus höhere Trassen- Entgelte kassiert, als bei anderen Bahnstrecken.

 

Ein Teilnehmer der Runde im Landtag beschrieb das so: Während der Freistaat in der Regel circa vier Euro für die Nutzung eines Bahn- Kilometers bezahlt, kostet selbiger 15 Euro zwischen Ingolstadt und Nürnberg! Das Land Bayern bezahlt pro Jahr bis zu fünf Millionen Euro mehr an die Bahn, als auf anderen Strecken in Bayern!

 

 

Die „Geister“- Güterzüge aus den Nutzen-Kosten-Untersuchungen finden sich noch in anderen Projekten:

Bei der ICE- Hochgeschwindigkeitsstrecke Nürnberg- Erfurt- Berlin etwa und bei Stuttgart 21, mit der Neubaustrecke Stuttgart- Ulm. Hier schimpfen Kritiker schon lange, dass die Güterzüge nie auf den Neubaustrecken fahren werden, wegen zu großer Steigung. Von den Tunnellängen hat bisher kaum jemand gesprochen.

 

In Deutschland gibt es nur drei relativ flach verlaufende Güter- Zug- Korridore: Das Rheintal, die mittlerweile selbst von der Bahn favorisierte Strecke Hof- Regensburg und einen Abschnitt von Würzburg gen Süden.

 

Die mathematische Formel der Nutzen- Kosten- Untersuchung:

Nutzen-Kosten-Verhältnis = („Saldo Nutzen“ abzüglich  „Betriebskosten“) geteilt durch „Investitionskosten Fahrweg“

 

Bei heimischen Projekten wurde von den Teilnehmer vor allem die vergleichende Untersuchung der Münchner Projekte kritisiert. Unter anderem der Ausbau des Südringes in München im Vergleich mit dem Bau des 2. S- Bahn- Tunnels.

Für den Südring wurden Werte errechnet, unter anderem für Ausgleichsflächen, die um ein Vielfaches über dem lagen, als der damals laufende viergleisige Ausbau zwischen Augsburg und München zu Buche schlug.

Ausgleichsflächen gibt es aus naturschutzrechtlichen Gründen, um den Eingriff in Natur und Landschaft zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren.

Müssten öffentliche Bauträger im Großraum München überall so hohe Summen für Ausgleichsflächen bezahlen, wie für den Bau des oberirdischen Südrings zu Grunde gelegt, wäre wohl kein Bauprojekt rechnerisch zu rechtfertigen.

 

 

Laut Vieregg- Rössler tritt die geplante Brenner- Anbindung über Rosenheim zudem neuerdings in Konkurrenz zum Ewigkeits- Ausbau München- Mühldorf- Freilassing.

In der Kosten- Nutzen- Untersuchung wurden Güterzüge, die bisher der Mühldorfer Bahnlinie zugerechnet wurden, abgezogen und der neuen Trasse über Rosenheim zugerechnet.

Der Wert des Ausbaues der Mühldorfer Strecke verschlechterte sich damit oder wäre um ein Vielfaches höher, während der Ausbau München- Rosenheim an Bedeutung gewann.

 

Erstaunlich ist, dass immer wieder Projekte favorisiert werden, die große Tunnel- Bauten beinhalten. Sehr zur Freude der Bauindustrie, die damit Milliardenaufträge an Land zieht. Beim Ausbau der Bahnstrecke München- Rosenheim soll unter den vier oberirdischen Gleisen von Trudering bis Grafing ein Tunnel mit zwei weiteren Gleisen entstehen. Der Ausbau der Mühldorfer Strecke beinhaltet dagegen keine Tunnellösungen.

 

Ein Beobachter der Runde aus Wasserburg am Inn stellte resigniert fest:

Am Ende gewinnen immer die teuren Projekte. Das nützt vor allem der Bau- Industrie, den Banken und deren Lobbyisten, die damit viel Geld verdienen.

Nebenbei profitiert zudem die Bahn: Deren Projekt- Bau- Tochter verdient an den Planungen mittlerweile bis zu 18 Prozent mit. Je teurer das Projekt, desto mehr Planungskosten fallen für die Deutsche Bahn ab.

 

Mit den 2,1 Milliarden Euro für den Ausbau nach Rosenheim, tituliert als „Zulaufwege für den Brenner- Basistunnel“, könnten in Bayern zahlreiche Projekte verwirklicht werden, meinte ein anderer Teilnehmer.

Die Elektrifizierung von Hof nach Regensburg wurde als Beispiel von Besuchern genannt, mit Weiterführung von Landshut über Mühldorf bis Rosenheim. Um die Güterzüge künftig an München vorbeileiten zu können.

 

Kurios bei den  Rosenheimer Brenner- Basistunnel- Planungen ist, dass in der Analyse die Planungsbüros davon ausgingen, es gebe auf der Strecke Freising- München keinen Engpass. Doch gerade hier resultieren schon heute viele Verspätungen dem hohen Verkerhsaufkommen mit S- Bahnen und Regionalzügen.

 

In Mühldorf hingegen scheint noch niemand zu ahnen, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer und seine Freunde im Bundesverkehrsministerium den Ausbau so minimal und unlukrativ gestalten wie nur möglich.

Es gibt schließlich wichtigere Projekte, mit denen die Spezln aus der Bauwirtschaft und der Banken mehr Geld verdienen können.