Arbeitsplatz in Bahnhofsnähe: Das Glück auf keine S- oder U- Bahn mehr angewiesen zu sein

am Münchner Hauptbahnhof war vorübergehend kein Zugverkehr möglich
München Hauptbahnhof

Wenn die S- Bahn- Stammstrecke in München still steht, sieht er es fast von seinem Büro aus. Ein Pendler- Kollege hat nach vielen Jahren in einigen Münchner Stadtteilen einen Arbeitsplatz am Ostbahnhof ergattert und ist froh darüber, auf keine S- oder U- Bahn mehr angewiesen zu sein.

Es beginnt schon morgens, wenn sich einige Pendler im Zug früh erheben. Lange bevor die Bahn gemächlich in den Ostbahnhof einfährt. Das sind die, die weiter müssen. Die einen wollen unbedingt die S8 zum Flughafen erreichen, um in den Münchner Medien- Campus gen Unterföhring zu gelangen. Andere wollen in den Süden Münchens. Der Rest muss in die Innenstadt. Jeder will möglichst die nächste S- Bahn in diese Richtung erreichen und so reihen sich die Pendler schon vor Einfahrt des Zuges an den Türen zum Ausstieg ein. Möglichst in einem Wagen, der meist nahe an den Treppen hält. Wer will schon wieder einmal völlig überflüssige Zeit an Münchner Bahnsteigen verbringen?

Wer keine S- Bahn benötigt, hetzt zur U- Bahn am Ostbahnhof. Es scheint beinahe so, als wäre Zeit Geld, für die Pendler. Doch sie kämpfen um jede Minute freie Zeit, die sie mit der nächsten Bahn gewinnen.

Freie Zeit, von der Bahn, von München, vom Stress in der Landeshauptstadt. Fünf Minuten am Morgen und fünf Minuten am Abend ergeben in der Woche fast eine Stunde, im Monat beinahe einen halben, freien Tag. Weit weg, von dieser Stadt, den Arbeitskollegen und deren Umfeld. Weit weg von kleinen Wohnungen, völlig überteuerten Mieten und was eben das Pendeln für Pendler wertvoll macht. Nur nicht da wohnen, in München, der eigentlich geliebten Landeshauptstadt.

Nun, der Pendler- Kollege geht genüsslich zwischen all den eilenden Pendlern die Treppe hinab. Er braucht keine S- Bahn mehr, keine U- Bahn und als die letzten Häufchen am Münchner Ostbahnhof verzweifelt gen Busbahnhof und Tram- Bahn rennen, geht er zu Fuß weiter.

Vorbei die Zeit, als er all jenen folgte, ebenso versuchte, die nächste Bahn oder den Bus zu erwischen.

Seit er seinen Arbeitsplatz wechseln konnte, ist er so früh wie nie zuvor in München im Büro. Trotz mehreren Minuten Fußweg.

Ihn kümmert es nicht mehr, wenn die S- Bahn streikt oder die S- Bahn- Stammstrecke wieder einmal gesperrt ist. Preiserhöhungen im MVV jucken ihn genauso wenig wie alle anderen Unzulänglichkeiten, die der Münchner Nahverkehr seinen Kunden in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen bietet.

Sein Puls ist seit der Zeit am Ostbahnhof dermaßen nach unten gerauscht, dass er es selbst kaum wahrhaben will.

Wenn andere morgens oder abends noch mehr hetzen müssen, weil schon der Anschluss von Bus, Bahn oder Tram nicht so wollte, wie es der Fahrplan verheißt, hat er es selbst in der Hand. Pünktlich und gemütlich zu Fuß ist er nicht mehr den Widrigkeiten der öffentlichen Verkehrsmittel ausgeliefert.

 

Manchmal denkt er über Leute aus den anderen Himmelsrichtungen Münchens nach. An die, im Westen. Die müssten in Pasing arbeiten, wenn sie vom Regionalzug kommen und weiter zu Fuß in die Arbeit gehen könnten.

Dumm nur, dass gerade die Verkehrsmenschen denken, die Verantwortlichen, alle Pendler hätten ihren Arbeitsplatz in der Nähe von Bahnhöfen in München.

Eisenbahner meinen, am Ostbahnhof oder in Pasing würde für ihre Kunden die tägliche Fahrerei enden. Dass die in der Stadt München aber noch weiter müssen, daran denken die hohen Köpfe nicht. Wer muss schon nach Unterföhring mit der S8 oder gar weiter zum Arbeitsplatz am Flughafen?

Unvorstellbar, dass es tatsächlich Leute gibt, die täglich mit der Bahn von Donauwörth nach München und weiter zum Flughafen verkehren. Als ob am Flughafen München all die 20.000 Menschen wohnen, die dort arbeiten..?

Oder, dass es Pendler bis ans Oberwiesenfeld zieht, zum Olympiazentrum. Hinaus zu BMW. Zuerst mit der S- Bahn an den Marienplatz und dann weiter mit der U- Bahn.

Ihm persönlich, kann all das egal sein. Die Bahnen, die Anschlüsse, die Menschen an den Bahnsteigen, die das seit Jahren klaglos in Kauf nehmen und sogar noch den Investitions- Versprechen der Politiker und Behörden Glauben schenken.

Manchmal, so sagt er, wenn ihm solche Gedanken durch den Kopf schießen, denkt er nur: Die sind alle miteinander selber schuld. An der Hetzerei, den Zeitverlusten und eben weil sie selbst das falsche Kreuz machen, bei Wahlen und den Politikern immer noch glauben. Oder der Bahn, wie toll sie doch ist und wie selten es Verspätung gäbe. Dabei zählen die Bahnen in Europa Verspätungen erst ab fünf Minuten, das bedeutet aber für viele, dass sie erst den nächsten Anschluss erwischen, planmäßig zehn, wenn nicht 20 Minuten später. Er selbst ist einfach nur froh, nicht mehr zu diesen Pendler- Gesichtern zu gehören und mit deren Naivität konfrontiert zu werden.

Solche Gedanken überkommen ihn vor allem kurz hinter dem Ostbahnhof, wenn er alleine am Bürgersteig gen Büro schlendert und all die Lemminge hinter sich lassen konnte. Alle die, die verzweifelt gen S- Bahn, U- Bahn, Bus oder Tram- Bahn hetzen…