Zugausfall und die SOB- Chefs am Bahnsteig: Wenn Manager auf wütende Fahrgäste und die Realität treffen

Seit vergangenem Freitag hatte einer der meist genutzten Züge von München nach Mühldorf täglich Verspätung. Signalstörung mit mangelnder Kommunikation, dann eine defekte Rampe für Rollstuhlfahrer, Lokschaden und so weiter.

Die Pendler waren entsprechend entnervt, das Thema schwappte auf die Medien und die Macher der Mühldorfer Südostbayernbahn wagten sich zu den Menschen Vorort. An den Bahnsteig, zur Stammkundschaft, zwischen 15 und 18 Uhr.

Die führenden Köpfe der Südostbayernbahn, Christoph Kraller und Matthias Krause wollten sich am Münchner Ostbahnhof und Hauptbahnhof persönlich für die Missstände entschuldigen, wenngleich sie und ihre Bahn nicht für jeden Ausfall verantwortlich waren. Doch den Kunden ist es ziemlich egal, ob die DB Netz in München Mist baut oder die Züge der Südostbayernbahn versagen.

Mancher aus der Kundschaft meint ohnehin, die Mühldorfer Macher sollten in München mal kräftig auf den Putz hauen, als alleiniger Nutzer der Infrastruktur zwischen Markt Schwaben und Mühldorf und auch den in der Region wohnenden Bahnchef für ganz Bayern, Klaus- Dieter Josel einmal heftig zur Brust nehmen. Oder einen führenden Kopf der DB Netz, der aus Töging kommt.

Die Aktion jedenfalls, sich zu entschuldigen, war ein gut gemeinter Zug. Des Volkes kochende Seele von den Tagen zuvor war einigermaßen ruhig, die Mühldorfer Eisenbahner konnten scheinbar gemütliche Gespräche am Bahnsteig führen, mit den Kunden, die auf den Zug um 17.38 Uhr nach Simbach über Mühldorf warteten. Doch kurz bevor der Zug einfuhr, leuchtete auf der Anzeige plötzlich auf: „25 Minuten Verspätung“.

Was dann passierte war wirkte wie ein Deja Vu: Laute Stimmen, Schreie, Flüche in der Mitte des Bahnsteiges. Es bildeten sich förmlich Menschentrauben und Rudel um die Bahn- Chefs: „Jeden Tag derselbe Mist“ waren noch die harmloseren Rufe von der aufgebrachten Stammkundschaft. Da blieb den Bahn- Chefs teilweise nur noch die Flucht nach vorne. Egal welchen Weg oder Standplatz sie wählten, sie wurden sofort umzingelt von den ansonsten so ruhigen, aber nun erstmals richtig aufgebrachten Pendlern.

Dabei konnten die SOB- Macher diesmal gar nichts dafür: Es hieß, es befänden sich Personen im Gleis. Das Glück der Mühldorfer Bahnerer war, dass der Zug pünktlich einfuhr, weil die „Personen im Gleis“ sich erst im nächsten Gleis- Abschnitt befanden. So stieg die Mehrheit der Kundschaft in den Zug ein, weg vom heißen Bahnsteig, in die klimatisierten Wägen.

Die Fahrt nach Mühldorf ging trotz der angekündigten Verspätung relativ flott von statten – insgesamt waren es 20 Minuten, am fünften bzw. vierten Tag in Folge, mit verspäteter Ankunft in Mühldorf. Zwei Anschlusszüge warteten, nach Traunstein und Burghausen, während der nach Passau weg war. Diese Rottal- Pendler waren dadurch wieder eine Stunde später zu Hause und das den fünften Arbeitstag am Stück.

Nicht auszudenken wäre es gewesen, der Zug wäre 25 Minuten später vom Münchner Hauptbahnhof in München Ost eingetroffen und diese Störung hätte die Südostbayernbahn zu verantworten gehabt. Da hatten die Bahn- Manager Glück in ihrem Unglück, das, was ihre Kunden seit Tagen teilen: Kraller und Krause mussten gefühlt nur fünf Minuten das erleben, was ihre Kundenbetreuer täglich erleiden müssen. Die Kundschaft nimmt sich zwar oft zurück, weil die kleinen Mitarbeiter am wenigsten dafür können, dass es an diesem Abend aber einmal führende Köpfe mit plötzlich auftretenden Problemen und der verzweifelten Wut der zahlenden Kunden zu tun bekamen, könnte der Bahn- Obrigkeit nachhaltig in Erinnerung bleiben.

Es wäre eine eigene Story wert, nachzufragen, wie es sich anfühlt, von verzweifelten, wütenden Menschen attackiert zu werden, die jedes Monat teils mehr als 200 Euro dafür bezahlen und sich sicher sein können: Es passiert immer wieder, weil denen da oben die Situation in keiner Weise bewusst ist.

Auf der Heimfahrt gab es im Zug allseits Diskussionen über diese Szenen am Bahnsteig. Einer bemerkte: „Die hatten leider ihre Pressedame nicht dabei. Der wäre das Lachen und ihre geschönten Phrasen gründlich vergangen.“

In den darauf folgenden Zügen, Stunden später, gab es keinen Ärger. Der von den vergangenen Tagen war schon verflogen, andere wollten einfach nur ihre Ruhe und waren froh, die Bahn- Obrigkeit nur gesehen zu haben und nicht mit denen reden zu müssen. Letzten Endes gab es für alle Kunden Bayerntickets aber mit der Gewissheit: Das nächste Chaos folgt bestimmt!

Bleibt nur zu hoffen, dass die Bahn- Macher nun den Ärger der Kunden und den Frust endlich nachempfingen können.

Am Rande bemerkt: Wäre der S- Bahn- Abschnitt zwischen München Ost und Markt Schwaben viergleisig ausgebaut, mit Lärmschutzwänden, befänden sich weniger oft „Personen im Gleis“. Der fehlende Ausbau, die Schönrederei der Bahn und die Blindheit der Politiker wirkt sich eben auf alle negativen Vorgänge aus, die derzeit zu dem total- Chaos auf der Ausbaustrecke 38 München- Mühldorf- Freilassing so geschehen. Die Gleise sollten hier seit dem Jahre 1985 verdoppelt, die Stellwerke erneuert werden. Mit der Elekfizierung würden längst E- Loks verkehren und keine Dieselloks. Lärmschutzwände würden den Bahnverkehr vor unvorsichtigen Personen im Gleis schützen. Das zeigt: Der Ausbau ist überfällig, steht aber nach wie vor in den Sternen.