Aufzüge u. Wickeltische: Versuch einer Glosse über die nächste EU- Posse bei der Südostbayernbahn

Barrierefreier Umbau des Bahnhofes Mühldorf im Jahr 2014
Barrierefreier Umbau des Bahnhofes Mühldorf im Jahr 2014

inn-sider.de: Es ist ein Trauerspiel mit der Bahn, dem zweigleisigen Ausbau nach München und ihren fundierten Köpfen in Mühldorf am Inn. Die Aufzüge am Bahnhof, die ursprünglich im Oktober 2012 hätten fertig sein sollen, werden nun im Jahr 2014 fertig.

Der Grund, unter anderem, so berichtet der Mühldorfer Anzeiger: „Dazu kommt, dass die neuen Glaskabinen der Druckwelle standhalten müssen, die Züge mit Tempo 160 verursachen.“

Züge mit Tempo 160 am Bahnhof Mühldorf. Ja das ist neu.
Die Südostbayernbahn erklärt zwar den Anliegern der Grundstücke zwischen Mühldorf und Tüßling, dass hier bald Züge mit 160 km/h fahren werden, aber am Bahnhof Mühldorf? Rechnen die SOB- Verantwortlichen damit, dass die ICEs und TGVs in Mühldorf am Inn halten oder, dass am Ende doch nie Ausbau im Rahmen der europäischen Bahn- Magistrale kommen wird?

Dazu der Versuch einer Glosse:

Langsam kommt Europa auf dem Land an. Europa als Staaten- Gebilde und natürlich diese unsägliche EU- Bürokratie.
Früher lästerten sie an Stammtischen über die gekrümmten Gurken, heute werden schon Provinz- Eisenbahner mit EU- Normen konfrontiert. Und das jetzt schon zum zweiten Mal.

Schon als das Bahnhofsgebäude in Mühldorf umgebaut wurde, gab es Schwierigkeiten mit Europa. Die EU forderte in den WCs Wickeltische. Nicht nur im Damen- WC, daran hatten die Planer der Bahn natürlich gedacht. Nein! Sogar im Herren- WC fordert die europäische Bürokratie Wickeltische!
Ein Unding! Die EU will Wickeltische im Herren- WC. Welcher Mann in Südostbayern wickelt schon seine Kinder? Am Bahnhof?

Ja, so war es beim ersten Mal, als die erlauchten Planer der Mühldorfer Südostbayernbahn mit der EU auf Kriegsfuß standen und aus Brüssel eines Besseren belehrt wurden.
Die Südostbayernbahn, Bayerns größtes Eisenbahn- Verkehrsunternehmen, fast eigenständig, aber doch nur Konzerntochter der großen Bahn- Manager in Berlin, muss sich europäischen Vorschriften beugen.

Jetzt, Jahre später, funkte wieder die EU dazwischen: Beim barrierefreien Umbau des Bahnhofes Mühldorf. Eigentlich lautete die Propaganda der Südostbayernbahn: Wir sind im Oktober 2012 fertig! Doch dann kam wieder Brüssel und verlangte Aufzüge, die der Geschwindigkeit von 160 km/h, so schnell sollen die Europazüge mal durch Mühldorf fahren, standhalten.
Gut, derzeit gibt es keinen einzigen Zug im Fuhrpark der Südostbayernbahn, der jemals überhaupt so schnell fahren könnte. Vielleicht dachte darum von den Managern und Planern niemand daran, dass hier jemals ein ICE oder TGV mit Tempo 160 durchfahren könnte. Genauso unvorstellbar wie dass Männer ihre Kinder am Bahnhof wickeln.

Die EU denkt da scheinbar anders: Die verglasten Aufzüge, deren Glas Tempo 160 standhalten soll, braucht man, damit die Papis mit den Kinderwägen ohne Treppen mit dem EU- Lift vom Bahnsteig ins EU- konforme WC kommen, um den Sprössling auf EU- konformen Wickeltisch eine neue Pampers verpassen zu können.

Nur- warum mischt sich eigentlich immer wieder die EU in die Belange der Mühldorfer Provinz- Eisenbahn ein?
Ja, das könnte damit zusammen hängen, liebe Manager und Planer der Südostbayernbahn, dass die Bahnstrecke München- Mühldorf- Freilassing immerhin seit dem Jahre 1985 im Rahmen der europäischen Magistrale, von Paris über Stuttgart 22 (oder noch mehr), München, Salzburg, Wien bis irgendwo dahinter ausgebaut werden soll.
Ein Projekt von europäischer Tragweite, Transeuropäische Netz Nummer 17, so die offizielle Bezeichnung in Brüssel.

Als in Mühldorf die Konferenz der Initiative „Magistrale für Europa“ tagte, gab es sogar einen Vortrag von der heimischen Bahn: „Magistrale und Südostbayernbahn“ oder so lautete der Titel, warum die Konferenz überhaupt hier statt fand, hat bei der Bahn wohl niemand wirklich begriffen.

Die Kosten für die Planungen und Bauarbeiten könnten sogar von der EU bezuschusst werden- dafür verlangt Brüssel auch einen Standard, entlang der gesamten Strecke.
Wenn also mal ein frisch gewordener Papa aus Südostbayern mit der Bahn nach Paris in die Stadt der Liebe fährt, nebst Gattin oder der Geliebten, müsste dort im Herren- WC eigentlich ein EU- Wickeltisch sein…

Ja, die EU macht vieles möglich und will für europaweite Standards sorgen, die Deutschland zwar nicht immer einhält, aber in anderen Bereichen fordert: Da wären wir wieder bei der Gurke. Deren genormte Krümmung wollten – die Deutschen. Kam hinterher raus, nachdem sich alle Stammtischbrüder in sämtlichen Provinzen über die EU entrüstet hatten.

Schwamm drüber. Freuen wir uns über EU- Normen am Bahnhof Mühldorf und drum herum und wer weiß, vielleicht beachtet die Südostbayernbahn bzw. deren Planer beim nächsten Auftrag schon zu Beginn, was Brüssel verlangt.
Dann müsste man eventuell nicht wieder nachbessern, umplanen, wäre pünktlich fertig und müsste nicht dauernd die teuren Plakattafeln erneuern oder gar überkleben…

Möglichkeiten dazu bekommen Planer und Manager der Südostbayernbahn noch genug, fehlen ja nur noch 46 Kilometer zweites Gleis nach Markt Schwaben, über 140 Kilometer Elektrifizierung und all das, was dazu gehört: Barrierefreie Wickeltische und so weiter..

Vielleicht wickeln bis dahin selbst die konservativsten Männer in unseren Breitengraden ab und an ihre eigenen Kinder mal selbst. Vielleicht sogar am Bahnhof, im Herren- WC. Dann sind sie froh, über den Wickeltisch, den es ohne EU nicht gäbe, weil die Bahn nicht soweit gedacht hat.