Bahnausbau: Abenddämmerung bei der Staatsregierung in München

Inn-sider.de: Abenddämmerung bei der Staatsregierung in München, so könnte man die derzeitigen Überlegungen zur Finanzierung der 2. S- Bahn- Stammstrecke in München umschreiben.
Diese, oft abwertend als ,,2. Röhre“ betitelt, kostet fast zwei Milliarden Euro. 60% davon, so sagte man, kämen vom Bund.

,,Der Bund muss“, so hieß es in der Vergangenheit in beinahe jeder Stellungnahme eines bayerischen Politikers, ,,seinen Aufgaben
nachkommen“.

Doch erstens muss der Bund gar nicht, sondern ,,kann“ Bahnprojekte der Länder, die mehr als 50 Millionen Euro kosten, mit bis zu 60%
bezuschussen. So umschreibt es das Gesetz, dieses Gemeindeverkehrs- Finanzierungsgesetz, kurz GVFG.

Zweitens, so war auch hier schon desöfteren zu lesen, gibt es in Deutschland viel zu viele Projekte der Länder, während der Finanztopf
des Bundes viel zu klein ist, um all diese geplanten Ausbaumaßnahmen im Schienenverkehr mit 60% zu bezuschussen.

In München hat man das zwischenzeitlich auch erkannt und deshalb ein großes Problem.
Die 2. S- Bahn- Stammstrecke wird als Grundelement des Konzeptes
,,Bahnknoten München“ gesehen. Ohne die zweite Stammstrecke, diesen parallel zum bereits vorhandenen aber weitaus tiefer verlaufenden
Tunnel, seien alle anderen Pläne des Konzeptes hinfällig.

Man weiß zwischenzeitlich wohl, dass irgendwann irgendetwas geschehen sollte. Denn seit dem Jahre 2001 geistert diese 2. S- Bahn-
Stammstrecke nun wie ein Gespenst durch die Parlamente, durch den Landtag, das Kabinett und den Münchner Stadtrat, während seither kaum
etwas passiert ist.

Hier weiter auf den Bund zu warten, scheint so aussichtslos, wie der baldige Ausbau der heimischen Bahnlinie zwischen Mühldorf und München.
Diese sollte eigentlich aus einem anderem Topf des Bundes finanziert werden, der ebenso völlig unterfinanziert ist.
Trotz aller Zusagen und Versprechen gegenüber Pendlern und der chemischen Industrie.

Der Ausbau zwischen Mühldorf und München ist jedoch Grundvoraussetzung für eine bessere Anbindung des gesamten Ostbayerischen Raumes an den Flughafen München. Derzeit macht es keinen Sinn, eine Verbindung der Mühldorfer Bahnlinie nach Erding über die Walpertskirchener Spange zu bauen, da die Bahnlinie im Bereich Dorfen dicht ist und keine zusätzlichen Züge mehr aufnehmen kann.

Um zumindest mit dem Bau der 2. S- Bahn- Stammstrecke Tatkraft zu simulieren, werden nun in München alle möglichen
Finanzierungsszenarien diskutiert. Das hilft zwar dem Umland wenig, außerhalb des S- Bahn- Bereiches, Regierung und Parteien könnten im
Landtag dadurch jedoch untermauern, dass sie nicht tatenlos zusehen, wie der Schienenverkehr um München immer mehr zu erliegen kommt.

Verspätungen wegen vorausfahrender Züge, Verspätungen bei den S- Bahnen wegen Problemen im bisherigen Tunnel und dergleichen, behindern
beinahe wöchentlich den Zugverkehr mit den 800.000 S- Bahn- Fahrgästen und gut 300.000 Pendlern in den Regionalzügen im Großraum München.

Ob Passau, Landshut, Regensburg oder das Allgäu mit Memmingen, Mindelheim – der Raum Landsberg oder eben Mühldorf a. Inn, auf all diesen Strecken teilen sich S- Bahnen und Regionalzüge zwei Gleise auf dem Weg von und nach München.

Verspätungen übertragen sich wie Bazillen bei Menschen von einem Zug auf den anderen. Die 2. Röhre unter der Landeshauptstadt, wird daran
zwar kaum etwas ändern, bei Bahn und Politik geht man jedoch davon aus, dass die betroffene Bevölkerung den bloßen Willen der
Verbesserungen durch die 2. Stammstrecke anerkennen wird.

Nun sucht man verzweifelt nach neuen Finanzierungsmöglichkeiten für das kostspielige Projekt des 2. Tunnels, was die Staatsregierung wie folgt umschreibt:

,,Ministerpräsident Seehofer und Verkehrsminister Zeil:

„Jeder steht in der Verantwortung“

Die Bayerische Staatsregierung bekennt sich zu ihrer
Infrastrukturverantwortung und bleibt bei ihrem uneingeschränkten Ja
zum Bau der 2. Stammstrecke. Dieses Projekt ist von zentraler Bedeutung
für den öffentlichen Personennahverkehr. „Wir werden das Bahnknoten-
Konzept in seiner Gesamtheit vorantreiben. Denn damit sichern wir die
Zukunft des Schienenverkehrs in ganz Bayern. Hierzu gehören die
Schienenanbindung der bayerischen Regionen an den Flughafen
München und die 2. Stammstrecke ebenso wie die kommunalen ÖPNV-
Großprojekte in Augsburg, München, Nürnberg und Würzburg“, betonen
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Wirtschaftsminister Martin
Zeil.
Um die Finanzierung der für den Freistaat wichtigen anderen ÖPNV-
Vorhaben nicht zu gefährden, kann der Bund nur einen kleineren Teil
seiner GFVG-Mittel für die 2. Stammstrecke zur Verfügung stellen. Wegen
der überragenden Bedeutung der 2. Stammstrecke für die
Verkehrsentwicklung im Großraum München sowie die
Flughafenanbindung werden derzeit viele Finanzierungsmodelle,
einschließlich möglicher Vorfinanzierungen geprüft. Dazu laufen
Gespräche, die aber noch nicht abgeschlossen sind.
Seehofer und Zeil unterstreichen: „Jeder steht in der Verantwortung, damit
die 2. Stammstrecke in diesem Jahrzehnt realisiert werden kann – Bund,
Land und auch die Stadt München, die in besonderer Weise von diesem
Projekt profitiert.“
Weitere Spekulationen wird die Staatsregierung nicht kommentieren.“

Politisch gesehen, werden die neuerlichen Vorschläge als Sticheleien gegenüber Münchens OB Christian Ude gewertet.
Ude will bei der Landtagswahl im Jahr 2013 als Spitzenkandidat der SPD bayerischer Ministerpräsident werden und weist seit langem auf die Zuständigkeit des Freistaates gemeinsam mit dem Bund beim Ausbau des
Münchner S- Bahn- Netzes hin. Während die Stadt die Obhut über die MVG, mit U-Bahn, Bus und Tram-Bahnen hat.

Weigern sich Ude und die Stadt München mit einem derzeit angedachten Kredit an den Bund die Finanzierung des Baues des 2. S- Bahn-
Stammtunnels mitzutragen, könnte die Staatsregierung das Projekt beerdigen, während Ude und der Münchner Stadtrat den schwarzen Peter hätten.

Im Stadtrat stehen, im Gegensatz zum Landtag, CSU und FDP dem Projekt negativ gegenüber, die Grünen signalisieren nur ihre Zustimmung, wenn
im neuen Tunnel auch Regionalzüge verkehren können.

Im Bayerischen Landtag stimmten CSU, FDP und SPD für den Bau des Tunnels, während die Grünen und die Freien Wählern das Projekt als
unsinnig und zu teuer ablehnen.

Von verschiedenen Kritikern des Konzeptes ,,Bahnknoten München“ werden andererseits immer wieder kurzfristige Verbesserungen angemahnt. Doch jede bauliche Maßnahme, die Engpässe im Münchner Schienennetz beseitigen würde, wäre ein neues Argument gegen die Notwendigkeit des
2. Tunnels.

So werden die Fahrgäste noch Jahre warten müssen, bis die politischen Streitereien grünes Licht für den Bau des 2. Tunnels geben oder das Projekt endgültig beerdigt wird.

Einen Plan B, sollte der Tunnel scheitern, gibt es nicht. Sagen zumindest die Befürworter und hoffen deshalb auf die Zustimmung all
derer, die sich baldmöglichst Verbesserungen im Schienenverkehr in und um München wünschen.