Maut- Diskussion: Zuerst toben die Zelte, dann trübt sich der Himmel

Horst Seehofer jubelten mit seiner Maut- Idee die Maßkrüge zu, doch langsam kehrt Ernüchterung ein.
Horst Seehofer jubelten mit seiner Maut- Idee die Maßkrüge zu, doch langsam kehrt Ernüchterung ein.

Als Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer im Herbst des Jahres 2013 im Mühldorfer Weißbier- Zelt am Volksfestplatz vor seinen Untertanen sprach, grölten sie. Beim Thema Maut für Ausländer. Wenn die Einheimischen einmal im Jahr über den Brenner gen Italien fahren, müssen sie löhnen. Die Holländer mit ihren Wohnwägen auf unseren Straßen aber nicht.

 

Der Ministerpräsident traf hier des Volkes Seele, erntete Zustimmung als hätte er gerade Freibier versprochen. Denn in keinem anderen Landkreis spürt man förmlich, wie wichtig zusätzliche Gelder für die Infrastruktur wären. Der Bau der A94 zieht sich seit Jahren und die eingleisige und nicht elektrifizierte Bahnlinie zwischen Mühldorf und München fährt auf einem Geläuf, das sich seit dem Jahre 1900 kaum verändert hat.

Es gibt sogar Stellwerke an Bahnhöfen, deren Ersatzteile hier in der Region nicht verfügbar sind, so alt ist die Signaltechnik in Schwindegg. Auf der Strecke Mühldorf- Freilassing- Salzburg, die seit 1985 genauso ausgebaut werden soll, wie nach München, werden die Schranken an manchem Bahnhof sogar noch von Hand gekurbelt.

 

Doch ob die Maut diese Probleme löst, bezweifeln Beobachter der Szene. Denn die Politik neigt dazu, Einnahmen bei Stuttgart 21, dem Berliner Flughafen und dergleichen zu verbrennen, anstatt in der Fläche zu investieren.

 

Nun ist die Maut- Diskussion im bayerischen Grenzland angekommen und langsam zeigt sich: Ganz so durchdacht wie das alle immer meinten ist sie wohl nicht. Jetzt kommen Vorschläge, die Grenz- Landkreise auszunehmen.

In Ostbayern würde das zu einer grotesken Situation führen und – dem Landkreis Mühldorf käme wieder eine Schlüssel- Rolle zu. Während in München, Starnberg und dem Landkreis München mautpflicht herrschen würde, wären Bad Tölz, Miesbach, Rosenheim, Traunstein, Berchtesgaden und Altötting davon ausgenommen. Wer jedoch die A94 im Landkreis Mühldorf passiert, wäre mautpflichtig.

 

Weiter gen Niederbayern zeigt sich ein ähnliches Bild:

Rottal- Inn, Passau, alle die wären nach dem Vorschlag von Bayerns Verkehrsminister Herrmann mautfrei. Ab Dingoldfing- Landau, Deggendorf, Straubing- Bogen gelte die Maut, in Freyung und Regen aber nicht.

 

Nur- warum so ein Vorschlag? Da lohnt es sich, einen Blick nach Salzburg zu werfen. Ins benachbarte Österreich, denn die Mozartstadt erstickt förmlich im Pkw- Verkehr, unter anderem deshalb, weil die einzige Umfahrung der Stadt die Autobahn ist und folglich fahren die Urlaubs- und sonstigen Gäste ohne ein Pickerl kaufen zu müssen, durch die Stadt.

Die Salzburger lassen deshalb an verregneten Tagen, wenn die Urlauber nicht an Seen oder in den Bergen sind, sondern Kultur an der Salzach schnuppern wollen, keine auswärtigen Pkws mehr in die Stadt. Nur die Kennzeichen aus dem Nachbarlandkreis BGL dürfen einfahren, die Traunsteiner aber schon nicht mehr.

http://www.salzburg.com/wiki/index.php/Altstadtsperre

 

Was so eine Regelung für Berufstätige bedeutet, ist klar. Folglich spürt man nun in den bayerischen Grenzgebieten: Kommt die Pkw- Maut, betrifft das plötzlich alle Arbeitnehmer aus Österreich, die in Bayern arbeiten. Oder die, die in Bayern einkaufen, weil es hier billiger ist.

 

Besonders interessant ist dabei übrigens, dass die Salzburger schon lange und intensiv ihren öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Nur an der Grenze endet das tolle System, weil die bayerischen Politiker immer noch vorwiegend auf das Auto setzen, anstatt auf die Bahn. Während das Bahn- Netz in Österreich um Salzburg s- bahn- ähnlich ausgebaut wurde, fährt weder nach Traunstein, noch nach Mühldorf eine S- Bahn. Dazu hätte schon lange ein drittes Gleis gebaut werden müssen, zwischen Salzburg und Freilassing, das derzeit genau am Grenzfluss endet.

Der Ausbau mitsamt neuer Signaltechnik, Elektrifizierung und so weiter nach Mühldorf hindert die Bahn daran, kürzere Taktzeiten anzubieten. Wobei von deutscher Seite her die Bahn- Oberen immer noch der Meinung sind, die Züge nur nach Freilassing fahren zu lassen. Obwohl das eigentliche Ziel der Reisenden längst Salzburg ist, zum Shoppen, kulturell und so weiter. Das ist in Führungs- Ebenen hier zu Lande noch lange nicht angekommen.

 

Nicht selten trifft es ganz schlaue Mitbürger aus Bayern bei Pickerl- Kontrollen an der Ausfahrt Grödig in Salzburg. 10 Minuten Autobahnfahrt von Freilassing bis hierher sind nämlich ein kurzer Weg gen Berchtesgaden, der flotter verläuft, als über die Straße im Berchtesgadener Land. Die Österreicher stehen hier regelmäßig, gerade an Sonn- und Feiertagen und fischen immer wieder gerade größere Autos aus Niederbayern ohne Pickerl heraus.

 

Was die nun geforderten Ausnahmen bei der Maut in Bayern betrifft, befürchten sie am Land in den Grenzregionen genau das, was im fernen München die Denker und Lenker tunlichst übersehen haben. Es ist einmal mehr nur ein weiteres Beispiel dafür, dass der Schwanz mit dem Kopf wedelt und man in München längst den Faden für die Belange in den Regionen verloren hat. Aber das ist nichts Neues und ließe sich auf viele andere Themenfelder ausweiten. Für manche zieht Salzburg eben mehr, hier im nahen Osten Oberbayerns, als man in der bayerischen Landeshauptstadt wahrhaben will. Die anderen, die für Bayern in Berlin sitzen, haben die lokalen Belange der Region längst vergessen. Berlin tickt noch eine Stufe höher und vom Verkehrsfluss zwischen Bad Reichenhall, Berchtesgaden, auf der B20 ins Chemiedreieck und dergleichen sind die Beamten und Politiker in der Preußen- Metropole scheinbar weiter entfernt, als die Erde vom Mond.

 

http://www.merkur-online.de/aktuelles/politik/heftiger-streit-ueber-maut-ausnahmen-grenzregionen-zr-3715557.html