Grüne: S-Bahn-Tunnel gefährdet andere Projekte

tz-online: München – Der umstrittene zweite S-Bahn-Tunnel in München gefährdet nach Darstellung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Toni Hofreiter zahlreiche andere Nahverkehrsprojekte.

Zweiter S-Bahn-Tunnel München bedroht Bundesförderung anderer Vorhaben: Ja zum Tunnel bedeutet de facto das Aus für andere Nahverkehrsprojekte in der Region

Zur aktuellen Debatte über den zweiten S-Bahn-Tunnel in München erklärt Dr. Toni Hofreiter MdB, Sprecher für Verkehrspolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen und Mitglied im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages:

Der zweite S-Bahn-Tunnel in München bedroht die Bundesförderung anderer Nahverkehrsprojekte in der Region. Bayern hat zu viele Projekte zur Förderung aus dem GVFG-Bundesprogramm (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz § 6 Abs. 1) beim Bundesverkehrsministerium angemeldet. Allein die bayerischen Projekte sprengen den finanziellen Rahmen des GVFG-Bundesprogramms für alle alten Bundesländer. In der Programmphase 2009-2013 ist der Fehlbetrag mit 127 Mio. EUR noch gering, doch in der nach heutiger Rechtslage letzten Programmphase von 2014-2019 drängen sich die Projekte. Der Bund stellt von 2014-2019 ca. 1,5 Mrd. Euro zur Verfügung, doch die alten Bundesländer haben Bundesförderung in Höhe von ca. 4,5 Mrd. EUR angemeldet – ein Fehlbetrag zwischen Wunsch und Wirklichkeit von ca. 3 Mrd. EUR. Absoluter Spitzenreiter im Begehren nach Bundesfinanzhilfen ist Bayern: der Freistaat allein hätte gerne 1,8 Mrd. EUR aus dem Topf für alle alten Bundesländer, obwohl dort nur 1,5 Mrd. EUR vorhanden sind.

Bayerns bei weitem teuerstes Vorhaben ist der zweite S-Bahn-Tunnel in München: 800 Mio. EUR aus dem GVFG-Bundesprogramm soll der Tunnel verschlingen. Wenn Bayern sich entscheidet, den zweiten Tunnel zu bauen, muss der Freistaat unweigerlich auch entscheiden, welche anderen Projekte er aus dem GVFG-Bundesprogramm zurückzieht. In der Region München stehen dabei folgende Projekte zur Dispositon, die mit Hilfe des GVFG-Bundesprogramms finanziert werden sollen und die ebenso wie der zweite S-Bahn-Tunnel in München bisher nur bedingt in das Programm aufgenommen sind (in Klammern die Höhe der gewünschten Bundesfinanzhilfen):

– Erdinger Ringschluss (212 Mio. EUR) und Neufahrner Kurve (noch nicht im GVFG-Bundesprogramm enthalten),

– S-Bahn-Ausbau Berg am Laim – Markt Schwaben (178 Mio. EUR),

– S-Bahn-Ausbau Pasing – Buchenau (271 Mio. EUR),

– S-Bahn-Ausbau Wolfratshausen – Geretsried (44 Mio. EUR),

– U-Bahn-Verlängerung nach Martinsried (32 Mio. EUR, dürfte jedoch nicht gefährdet sein).

Klar ist: Ein Ja zum zweiten Tunnel würde de facto das Aus für einige der genannten Projekte bedeuten. Es ist höchste Zeit, sich von dem Tunnel zu verabschieden und kleinere Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um den Schienennahverkehr in der Region München zu verbessern. Vorschläge dazu gibt es genug. Die Zeiten von Milliarden-Projekten sind vorbei, das sollte Bayern aus dem Transrapid gelernt haben.

Die bayerische Staatsregierung kann dem Finanzierungs-Dilemma auch nicht dadurch entkommen, indem sie Projekte in den sogenannten „Bahnknoten München“ verschiebt, der aus einem anderen Topf, nämlich mit Bedarfsplanmitteln nach dem Bundesschienenwegeausbaugesetz finanziert werden soll. Dies wäre eine Verschiebung von einer leeren Kasse in eine andere leere Kasse. Denn der Bahnknoten München gehört nach DB-Angaben zur Liste der Projekte, für die 14 Mrd. EUR fehlen, und er steht hinter Projekten an, die bereits im Bau sind bzw. eine Finanzierungsvereinbarung haben, und auch diese sind bereits mit 9 Mrd. EUR unterfinanziert.