Güterzug-Fiasko in Riem: Trotz Stundentakt fette Verspätungen zwischen Mühldorf und München

Heute (3. Mai 2018) meldete die Bahn fröhlich: Jede Stunde verkehrt wieder ein Zug! Nach dem Güterzug-Fiasko in München-Riem wäre zwar nur ein Gleis befahrbar, aber ein Stundentakt wieder gewährleistet…
Dieser „Stundentakt“ sieht dann so aus, dass die Züge, pro Zug, satte 20 Minuten Verspätung haben, je Richtung. Denn zu dem „Unglück“ kommen noch die Bauarbeiten an den Bahnsteigen in Feldkirchen und am S-Bahnhof Riem hinzu. Bahn-News, wie Pendler sie seit langem kennen… Vollmundige Presse-Erklärungen und Ankündigungen erleben die Fahr-„Gäste“ als neuerliches Fiasko. Schönfärberei und Schönrederei. Und das alles hat bereits ‚Tradition‘, denn langjährige Pendler kennen sie: Diese Streckensperrungen zwischen Mühldorf und München Ost, aufgrund von Unfällen, Unwettern und dergleichen.
Einmal krachte ein Lkw auf der A99 gegen einen Brückenpfeiler, die Folge war eine tagelange Sperre im S-Bahn-Bereich zwischen Riem und Markt Schwaben.
Damals fuhr die Mühldorfer Südostbayernbahn (SOB) Umleitungszüge über Landshut, später folgten Ausweich-Routen zunächst über Rosenheim und dann der Filzenexpress, über Wasserburg und Ebersberg.
In all diesen Fällen war die Zeitersparnis mit Umleitungszügen gegenüber dem Schienenersatzverkehr gleich Null. Damals über Landshut, ließ die SOB die planmäßige Regionalbahn ab Landshut sogar noch vor dem Umleitungszug aus München auf die Strecke. Die Folge: Wer seinen Anschlusszug in Mühldorf erreichen wollte, musste sich in die Regionalbahn quetschen.
Die ‚lustigste‘ Streckensperrung war wohl das letzte große Unwetter, das auch weite Teile der Bahn zwischen Rosenheim und München lahmlegte. Für die Südostbayernbahn betraf es wieder den S-Bahn Abschnitt, diesmal im Bereich Heimstetten. Doch da gleichzeitig die Brücke über den Innkanal, dank des zweigleisigen Ausbaues Altmühldorf-Mühldorf-Tüßling gesperrt war, waren damals die Züge der SOB „eingesperrt“:
Die Dieselloks mit den Doppelstockwägen (‚Dostos‘) konnten nur im Pendelverkehr zwischen Ampfing und Markt Schwaben fahren, es gab kein vor oder zurück. Richtung München blockierten die Baumstämme im S-Bahn-Bereich die Züge, nach Mühldorf der zweigleisige Ausbau samt Brückenarbeiten.
Folglich konnte die SOB keine Umleitungszüge fahren, da der gesamte Fuhrpark, so hieß es damals, eben „eingesperrt“ war. Die Pendler mussten so von Mühldorf zu den Zügen mit Bussen gefahren werden – um in Markt Schwaben mit Bussen zur U-Bahn an der Messe kutschiert zu werden.
Bis so ein Ersatzverkehr jeweils eingerichtet ist, vergehen ein paar Stunden. Während der Güterzug in Riem schon in der Nacht zum Samstag entgleiste, kam die erste E-Mail der Südostbayernbahn erst Stunden später.
Fraglich bleibt, was mit den Fahrgästen passierte, die die Strecke in den Zügen nach Mitternacht passieren sollten. So erwischte es viele Fahrgäste am Samstag nach München kalt. Wer die Verkehrsnachrichten im Radio hörte und sofort die Verspätungs-E-Mails der Bahn checkte, konnte immerhin noch mit dem Auto nach München fahren.
Wer hoffte, die Störung wäre nur „vorübergehend“ war gut beraten, zusätzlich noch den S-Bahn-Newsletter abonniert zu haben. Der meldete den Unfall kurz nach Mitternacht und dürfte dem letzten Gutgläubigen vermittelt haben: Das dauert länger.
In ersten offiziellen Meldungen sollte die Streckensperrung bis Montag-Mittag andauern, am Sonntag-Nachmittag hieß es bereits: Bis mindestens Dienstag.
Die Einschränkungen samt kalkulierten 20 Minuten Verspätung pro Zug, werden noch eine Woche andauern (9. Mai 2018).
www.deutschebahn.com/pr-muenchen-de/M%C3%BCnchen-Riem–Fahrplaneinschr%C3%A4nkungen-voraussichtlich-noch-bis-zum-9–Mai-2833770
Neulich berichteten zudem Wochenend-Kunden von München nach Mühldorf von nur einem Bus im Ersatzverkehr und der sei so überladen gewesen, dass in Dorfen angeblich die Polizei vor Ort war. Der Bus verspätete sich in seiner Ankunft am Bahnhof in Schwindegg dermaßen, dass der Zug nach Mühldorf schon weg war. Da hieß es erneut warten. Selbst Bahn-Mitarbeiter aus München spotten zwischenzeitlich über die Verhältnisse auf dem einen Gleis nach Mühldorf. Wer jemals in anderen Teilen der Republik als Pendler auf die Bahn angewiesen war, kann sich an derartig viele und tagelange Ausfälle, aus welchen Gründen auch immer, nicht erinnern.
Planmäßig in München anzukommen, diese Sicherheit bietet von Mühldorf aus nur die Fahrt mit dem Auto, samt dem Risiko B12. Reisen in den Rest der Republik erledigt man am besten per Flieger, denn ob und wann die SOB jemals in München ankommt und der Anschlusszug erreicht wird, das weiß ein Pendler aus Mühldorf und Umgebung sprichwörtlich nie.
Da hilft es noch nicht einmal darüber nachzudenken, was denn an den heutigen Verhältnissen besser wäre, wäre die Bahn, damals im S-Bahn-Bereich auf vier Gleise (samt einer besseren Anbindung des Güterbahnhofs Riem?) und auf zwei Gleise gen Mühldorf erweitert worden. Bis zum Jahr 1999 war das bereits fertig geplant, bis die rot-grüne Regierung unter Gerhard Schröder den Ausbau stoppte und die Pläne in den Schubladen Berliner Behörden vergammeln ließ.
Für das Schienennetz in Deutschland ist übrigens der Bund zuständig. Wer das eine Gleis zwischen Mühldorf und München kennt, der kann da über den Slogan der CDU im letzten Bundestageswahlkampf nur spotten: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben.“ Was sich Bahnreisende unter „gut“ vorstellen – wie sie dadurch den Begriff „gerne“ definieren, kann mancher derzeit in den Zügen zwischen Mühldorf und München erleben. Dort paaren sich Unglücke mit den ‚Flüchen‘ der Kundschaft, samt alltäglichen Bahn-Beschwerden, nicht nur von Pendlern…